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Sommer 1914 (X)

Sommer 1914 (X)

Nach der Zeitungslektüre – Lemberg war geräumt, aber die Marneschlacht tobte noch – notiert Margarethe von Zepharovich am 8. September 1914: „es sind bald schwere Entscheidungen zu erwarten.“ Tatsächlich sollte sich in diesen Tagen auch an der Westfront das Blatt wenden. An der Marne gelang es den französischen und britischen Truppen den deutschen Vormarsch zu stoppen. Es folgten der sogenannte „Wettlauf zum Meer“ und – nachdem auch dieser keine Entscheidung bringen sollte – die Erstarrung der Front …

Am 12. September 1914 erfuhr Margarethe aus der Zeitung vom Tod ihres Neffen Hans Spiegelfeld (1892-1914), der im Zuge der allgemeinen Mobilmachung als Kadett in der Reserve zum 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger eingerückt war.

IN v. 12. September 1914, 2.

In ihr Tagebuch notierte sie: In der „Zeitung las ich den Tod von Hansi Spiegelfeld. Armer Heini [Heinrich, ihr Bruder] u. Bertha! Wie wird der kranke Mann das tragen? So ist der gute, kleine Hansi der erste, der fürs Vaterland starb, er soll von 11 Kugeln getroffen worden sein, so sagte neulich schon … [? Name unleserlich], doch wollte ich es noch nicht glauben. R. i. P. – Mag er der erste u. letzte von den unsern sein, er hatte einen schönen Tod.“ Was Margarethe zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste – ihr Neffe Friedrich Spiegelfeld (Jahrgang 1888), der als Leutnant in einem Dragonerregiment diente, war bereits Mitte August 1914 bei einem Vorstoß in Richtung Lublin getötet worden. Im Stil der Kriegszeit berichtete das Salzburger Volksblatt im März 1916 über sein Schicksal:

Als im August 1914 unsere Heere in der Richtung auf Lublin vorstießen, wurde vom 4. Dragoner-Regi­ment der Leutnant Friedrich Freiherr von Spiegelfeld, wel­cher sich bereits durch mehrere kühne Erkundigungsritte ausge­zeichnet hatte, mit einer Nachrichtenpatrouille gegen den Feind geschickt. Die Abteilung war am 16. August aufgebrochen und gelangte kühn vorstoßend am 18. August bis zu einem Orte 25 Kilometer von Lublin entfernt. Hier geriet sie in hefiiges Feuer und wurde von berittenen Kosaken umringt und zum Teile angehalten. Die Aufforderung, sich zu ergeben, wies Spiegelfeld mit Verachtung zurück und hauchte in todesmutigem Kampfe unter den Säbelhieben und Lanzenstichen des Feindes seine Seele aus. Die heldenhafte Haltung des jungen Offi­ziers machte tiefen Eindruck auf den Feind. Unter Teilnahme des ganzen Offizierskorps und vor au-gerückter Mann­schaft ehrten die Russen den Gegner, indem sie ihn feierlich im Friedhofe Bychala bestatteten. Seine Truppe war damals am weitesten in Feindesland eingedrungen. Den Nachforschungen seiner Angehörigen und des Regimentes ist es gelungen, diese Tatsache, da er lange als verschollen galt, festzustellen. Alle jene, welche den hoffnungsvollen Offizier und tapferen Kameraden ge­kannt haben, werden diesem Helden stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Doch damit sind wir in der Zeit weit vorausgeilt. Kehren wir zurück in den September 1914. Die Kriegsereignisse nehmen nun etwas weniger Raum in Margarethes Tagebuch ein, dafür erfahren wir (wieder) mehr über den Alltag. Bemerkenswert sind etwa die Besuche in einem Automatenbuffet (9. u. 14. September). Dieses – „eine Zierde und Sehenswürdigkeit der Landeshauptstadt“ (O-Ton Werbung 1914) – befand sich in der Maria-Theresien-Straße beim Triumph-Kino. Und den beiden Buben hat es offenbar geschmeckt, den sie „hatten dort riesig viel gegessen, Gottlob blieb das ohne böse Folgen!“

Mitte September gingen schließlich auch die Schulferien zu Ende. Es wurden Einkäufe getätigt, die Koffer gepackt und am 16. September reiste Karl von Zepharovich schließlich wieder mit dem Zug nach Feldkirch. Auch trafen Mitte September 1914 die ersten Verwundetentransporte in Innsbruck ein. Unter dem 19. September notierte sie: „[…] erkundigte mich wegen Hans, ob keine Verwundeten hier sind von seinem Regiment, die Nachricht wissen. Im Pädagogium ist es so traurig, die vielen Verwundeten.“ Spätestens jetzt verflüchtigte sich auch die letzte Euphorie … Und mit dem 27. September 1914 enden schließlich auch Margarethes Aufzeichnungen für dieses Jahr, da die restlichen Seiten aus ihrem Notizenbuch herausgerissen wurden …

(Titelfoto: Sterbebild Hans Freiherr von Spiegelfeld – Tiroler Ehrenbücher / Text: TB Margarethe von Zepharovich, Privatbesitz)

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