Sommer 1914 (III)
Die Berichte über das österreichisch-ungarische Ultimatum an Serbien dominierten am 24. Juli 1914 die Titelseiten der Zeitungen: „Die Note Oesterreich-Ungarns an Serbien. Energisches Gericht über die großserbische Propaganda. – Oesterreich fordert Serbiens Entscheidung binnen 48 Stunden“ titelte die Grazer Volkszeitung. Mit der Schlagzeile „Unser Ultimatum an Serbien“ machte die Kronen Zeitung an diesem Tag auf. Der seriöse Pester Llyod titelte „Die diplomatische Demarche unserer Monarchie“ und auf der Titelseite der Innsbrucker Nachrichten stand groß: „Ein Ultimatum an Serbien. Der Schritt in Belgrad“.
Schlagartig wurde den Menschen in der Monarchie bewusst, dass sie am Rande eines Krieges standen. Auch Margarethe von Zepharovich hatte die Nachricht vom Ultimatum in der Zeitung gelesen. In ihrem Tagebuch notierte sie dazu: „Die Entscheidung, ob Krieg, ob Frieden, Gott hilf uns!“ (24.7.1914). Ihr Bruder, Markus Spiegelfeld, erfuhr die Nachricht ebenfalls aus der Zeitung und schrieb in seinen Erinnerungen darüber: „Ich war starr vor Entsetzen über Inhalt und Form dieses Schriftstückes [d.i. das Ultimatum an Serbien]. Das war wirklich der Weltkrieg. Ich klammerte mich aber an den Gedanken, dass man sich bevor man einen solchen Schritt wage, doch sicherlich der Allianz Italiens, vielleicht auch Englands und Japans, versichert sein müsste [sic]. Aber der Krieg mit Russland und Frankreich schien mir unvermeidlich.“
Tatsächlich hatten sich Österreich-Ungarn und Deutschland jedoch bewusst dafür entschieden, die italienische Regierung im Vorfeld nicht über das Ultimatum an Serbien zu informieren. „Als Begründung für dieses Verhalten wurde angeführt, daß die Gefahr bestehe, der unverläßliche Bundesgenosse könne frühzeitig die russische Regierung alarmieren und damit die konsequente Durchführung der Aktion verhindern. Auch fürchtete man, daß Italien durch frühzeitige Kompensationsforderungen die Situation unnötig erschweren würde. Ob diese Argumentation richtig war oder nicht, ist nachträglich schwer zu entscheiden“, so der Historiker Fritz Fellner (1922-2012). Wohl aber trug diese Politik dazu dabei, dass im August 1914 aus dem Dreibund ein Zweibund wurde.
Am 25. Juli notierte Margarethe von Zepharovich: „Abends verkündeten Extrablätter, daß Serbien das Ultimatum nicht angenommen habe u. also der Krieg erklärt ist [das war jedoch noch nicht der Fall]. Es soll noch nachts patriotische Kundgebungen gegeben haben, Militärmusik und viel Begeisterung. Heiligstes Herz Jesu hilf unserem Vaterland!“
Am 26. Juli ging sie mit ihrem Sohn Karl nach dem morgendlichen Kirchgang und dem Frühstück in die Stadt, um Extrablätter zu kaufen: „[E]s war viel Volk auf den Straßen, alles ist freudig erregt, endlich die … [?] Frechheit Serbiens zu rächen. Gott hilf uns, unsere Sache ist gewiss gerecht u. der Kaiser hat lange genug gewartet, um den Frieden zu erhalten, aber jetzt nach der Ermordung des Thronfolgers ist das Maß übervoll.“
Am Nachmittag gingen Zepharovichs ins Kino („sehr hübsch“) und jausneten dann im Kaffeehaus: „es war interessant die vielen Menschen zu beobachten, es geht zu wie in einer Großstadt u. alles ist in gehobener Stimmung u. … [?] als ob wir alle eines Stammes wären.“
(TB Margarethe von Zepharovich, Privatbesitz)