Rittmeister a.D. und Hanfbindfadengroßhändler
Eduard Smolenski war Rittmeister, ein Offizier der Kavallerie. Wie er zum Handel mit Seilerwaren kam ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Aber er kam. Vielleicht über den Umgang mit Pferden.
Dass es schließlich neben dem Handel mit „normalen“ Seilerwaren, Hanf-, Jute- und Haushaltsartikel auch zu einem Großhandel mit Hanfbindfäden gereicht hat, ist eine andere Geschichte. Vermutlich eine, die nie geschrieben werden wird.
Es bleibt auch die Frage offen, ob der „Rotzer“, der mit seinem Fahrrad genau in die Aufnahme des Bildes gefahren ist, dies auch geplant hat. Es ist aber wohl anzunehmen.
Bei so viel Fragen bleibt eine weitere offen: Wo befand sich das Geschäft des Herrn Rittmeisters?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: Ph/A-24-375-47)
In Google Street View, das jetzt endlich auch für Innsbruck verfügbar ist, sieht bei der Leopoldstraße 26 der Erker im ersten Stock genau so aus wie hier am oberen Bildrand.
Natürlich habe ich nicht ganz Innsbruck abgesucht. Aber beim Googlen bin ich auf ein altes Branchentelefonbuch von 1938 gestoßen, wo als Adresse Leopoldstraße 36 angegeben war. Da das Gebäude nicht zum Bild gepasst hat, bin ich die Leopoldstraße weiter stadteinwärts „gegangen“, wo viele Gebäude von der Architektur her passen könnten und zahlreiche Geschäftsportale dieses Typs vorhanden sind, und wurde fündig.
Für Eduard Smolenski gibt es übrigens einen Eintrag in einer Genalogie des Jüdischen Museums Hohenems zur jüdischen Familiengeschichte in Vorarlberg und Tirol (geboren 1880 in Palota / Ungarn, gestorben 1957 in Innsbruck, Beruf Kaufmann und Major). Interessant für einen Nicht-Historiker, auf was man beim Rätsellösen stoßen kann.
Lieber Herr Berktold,
danke für die Recherchen und die Auflösung.
Die Hohenemsgenealogie liegt übrigens auf dem selben Server wie diese Webseite… als langjähriger Mitarbeiter des Projekts habe ich gleich nachgeschaut was wir über die Familie Smolenski wissen und ein paar zusätzliche Informationen „freigeschaltet“.
Dabei bekommt der kleine Hakenkreuz-Aufkleber der Deutschen Arbeitsfront den man hinter dem Radfahrer erkennen kann, eine besondere Bedeutung. Die Gattin des Geschäftsbesitzers, Frau Magda Smolenski geb. Klemperer, war evangelisch aber hatte vier jüdische Großeltern und galt somit als „Volljüdin“. In den Absurditäten des rassischen Verfolgung gab es auch die so genannte „geschützte Mischehe“, und in einer solchen lebte Frau Smolenski dank ihres katholischen Gatten. Im Frühjahr 1943 wurde sie dennoch, wie alle für jüdisch erklärten Ehegattinnen und -gatten Innsbrucks, kurzzeitig ins KZ Reichenau verschleppt. Ausgerechnet der prominente Täter der Innsbrucker Pogromnacht Hans Aichinger soll sie dort relativ schnell wieder befreit haben. Die beiden Töchter waren in Nazi-Logik „Halbjüdinnen“; die jüngere, Anni (geb. 1917), ging 1939 nach Amerika, wo sie erst 2012 starb. Die ältere, Edith, Jg. 1913, war eine Bildungs-Pionierin und schloß 1937 ihr Jus-Studium in Innsbruck ab; sie bleib in den Kriegsjahren in Innsbruck. Sie heiratete nach dem Krieg Herrn Kurt Kleewein.
Edmund, Magda und Edith wohnten ihr ganzes Innsbrucker Leben (ab März 1914) in der selben Wohnung in der Leopoldstraße 22 – das Geschäft lag, richtig erkannt, auf Nummer 26. Magda Smolenski erschien in den 1980er Jahren regelmäßig in den Innsbrucker Stadtnachrichten. Zum 90., 91., … bis zum 98. Geburtstag gratulierte ihr das Innsbrucker Amtsblatt.
A propos Quellen auf dem selben Server: Für Innsbruck-Forschende immer interessant sind die alten Ausgaben der verschiedenen Amtsblätter (heute „Innsbruck Informiert“). Da diese via google und „Issuu.com“ nur sehr umständlich und unvollständig zu durchsuchen sind, haben wir uns erlaubt, die knapp 900 Ausgaben selbst ins Netz zu stellen unter
http://amtsblatt.stadtarchiv-innsbruck.at
Lieber Herr Hofinger,
vielen Dank für die interessanten Erläuterungen!