Mit einem Bein im Grab?
Als die Klingenschmid-Bühne Mitte des vorigen Jahrhunderts ihren 40. Geburtstag feierte, tat sie das unter anderem mit einer kleinen Broschüre, deren erste drei Seiten oben zu sehen sind. Der von Egon Ötzbrugger verfasste Text spiegelt dabei alles andere als Feierlaune wieder.
15 Jahre nach der Exlbühne hatten August Klingenschmid, Maria Nigg (Klingenschmid) sowie Herbert, Max und Sepp Nigg 1917 das „Zweite Tiroler Volkstheater“ in der Leobühne gegründet. Beide Institutionen zeichneten maßgeblich für Verbreitung und Weiterentwicklung des Volksschauspiels verantwortlich. „Die Klingenschmid-Bühne zog sechzehn Jahre lang durch alle deutschsprachigen Gebiete Mitteleuropas und verkündete das Wort unserer Bühnendichter und von ihnen geformte, tirolische Volksschauspielgemeinschaft.“
Diese von Politik und Krieg abgewürgte Tiroler Kulturbewegung sei nach 1945 „geschäftlichen Interessen ausgeliefert“ gewesen. Die Klingenschmid-Bühne kämpfte seit ihrem Neuanfang „gegen die Unzahl von agierenden und auf niedere Instinkte spekulierenden ‚Bauern- und Possentheater'“ an, die zwar zunehmend verschwanden, „aber ein kulturell verdorbenes und dabei häufig übervorteiltes Publikum zurückließen“. Kritiker warfen der Bühne vor, nun auch selbst „die große, kulturbeständige Linie verlassen und sich dem Unterhaltungstheater“ zugewandt zu haben. Angesichts unzureichender öffentlicher Subventionen war es nach Ötzbrugger aber überlebensnotwendig, dem Unterhaltungsbedürfnis der Bevölkerung nachzukommen, zumindest solange, „bis eine Umbildung des Geschmacks und eine systematische Publikumserziehung“ erreicht werden konnte.
Daneben kämpfte die Bühnen auch mit schriftstellerischem und schauspielerischem Nachwuchsmangel. Es sei August Klingenschmid zu wünschen, dass er sein Lebenswerk retten könne, ansonsten würde man bald „das gesamte Volksschauspiel zu Grabe“ tragen, befürchtete Ötzbrugger. Und in einem Ductus, der gut und gerne auch 15 Jahre älter sein hätte können, mahnte er in fett gesetzten Lettern, „daß man die Volkskunst und das Volkstheater als impulsivste und heimatverwurzeltste Kunstäußerung nicht zu Grabe tragen kann, ohne eine Schwächung des völkischen Bewußtseins, ohne die Aus-Setzung unserer elementarsten Kraft zu begünstigen“.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Div-2832)