Innsbruck im Winter I
Bewegt man sich dieser Tage durch die Stadt, kann man den Christkindlmärkten kaum entkommen. Sieben an der Zahl listet die Innsbrucker Tourismuswerbung: Einerseits die zentralen Drei in Altstadt, Marktplatz und Maria-Theresien-Straße, weiters die zwei höher gelegenen am Bergisel und auf der Hungerburg (wo vor kurzem das heutige Titelbild entstanden ist). Und dann natürlich „der Weihnachtszauber in Wilten“ ebenso wie „der Geheimtipp St. Nikolaus„: „Ruhig, authentisch und besinnlich: So erleben Sie den Advent am Christkindlmarkt in St. Nikolaus. Wer den Inn überquert, findet einen der schönsten Adventmärkte der Stadt.„
Vor 125 Jahren gab es lediglich zwei Märkte in Innsbruck (wobei Wilten & Co damals natürlich noch nicht Teil der Stadt waren). Der St. Nikolausmarkt wurde – trotz abnehmender „Volkstümlichkeit“ – schon damals empfohlen, während der zweite, der Thomasmarkt, ein eher zweifelhaftes Vergnügen darstellte:
Zwei volksthümliche Märkte hat der Innsbrucker Vorweihnachtwinter, der erste ist der St. Nicolausmarkt, auf welchem der heilige, vom Hinmmel gestiegene Bischof, der bei uns den braven Kindern meist mit Mantel, Insul [Bischofsmütze, Anm.] und Krummstab persönlich erscheint, Schleckerlen, Nüssen, Lebzeltenbischöfe, Bleisoldaten ec. einkauft, während der abscheuliche Krampus sich mit Ruthen für die Rangen versorgt. Der Markt hatte früher ein viel volksthümlicheres Gepräge als jetzt.
Der zweite Markt, der Thomasmarkt, dient keinem heiligen Zwecke, sondern so hauptsächlich Fackenmarkt. Die Schweinsleichen liegen mit aufgespreizten Bäuchen reihenweise in der Innrainallee und geben den Stadtvätern im Gemeinderathe Bedenken wegen mangelnder Reinlichkeit. Wie ich nun aber von diesem appetitlichen Markte weg in die Weihnachtsstimmung komme?
Die Antwort auf diese Frage? Zeitmaschine anwerfen, ins 21. Jahrhundert reisen und einen oder mehrere Becher holen: Glühwein, rot und weiß. Glühmost. Punsch von Apfel-Holler, über Latschen bis Orange und wer weiß was noch alles für Aromen. Ob das Weihnachtsstimmung bringt? Zumindest wird es die Stimmung heben, die Sicht verschwimmen lassen. Keine Spur mehr von Facken! Obwohl, wenn man Frühmorgens die Reste vom Feste an der einen oder anderen Ecke sieht, keimen Zweifel auf. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass sich der Fackenmarkt inzwischen vom Innrain auf die Alt- und Neustadt ausgebreitet habe, nur befinden sich die Schweinderln heut eher auf der anderen Seite des Standels…
(Fortsetzung folgt)
Zitate aus Anton Renk: „Innsbruck im Winter“, in: Reise- und Fremden-Zeitung für Tirol und Vorarlberg, 2. Jg, Nr. 2 (Februar 1900), S. 1-2
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-Dig-2649)