Eine Konstante im Strom der Zeit
Es ist mit Sicherheit kein überragendes Erinnerungsvermögen nötig, um das Bild meines heutigen Beitrages örtlich zuzuordnen: Hat sich an der Kreuzung vor dem Pradler Sillpark zwischenzeitlich doch erstaunlich wenig verändert. Wobei unklar bleiben muss, was mit Zwischenzeit gemeint ist: Der Datierung in unserer Datenbank zufolge wurde das Bild etwa im Zeitraum zwischen 1990 und 1995 aufgenommen. Der einzige augenfällige Unterschied zum heutigen Erscheinungsbild der Kreuzung ergibt sich, soweit ich es ausmachen kann, aus der archaischen Physiognomie der Straßenbahnen, die tatsächlich wirken, als stammten sie aus einem andren Jahrhundert (was sie erwiesenermaßen tun).
Als jemand, der Veränderungen grundsätzlich skeptisch gegenübersteht und den Wehmut und Nostalgie befallen, sooft sich ein vertrauter Ort durch bauliche Modifikationen in einen unvertrauten verwandelt, muss ich gestehen, dass mich diese festgestellte Resistenz der Sillparkkreuzung gegen den beständig schlingenden Mahlstrom der Zeit wirklich sehr freut. Wie sehen Sie das? Zieht es Sie selbst mehr zum Reiz des Modernen oder dem Komfort des Vertrauten?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-33976)
Autor: Julian Mosbacher
Ohne Herrn Schneiderbauer zuvorkommen zu wollen, die Aufnahme ist so alt nicht. Es gibt schon den getrennten Zebrastreifen/Radwegübergang, die Hinweisschilder sind auch heute nicht anders. Wahrscheinlich das / die letzte(n) Einsatzjahr(e) der alten Garnituren. Wobei Straßenbahnen sehr langlebig sind.
Mit 5. Mai 2009 endete der Einsatz der noch vorhandenen Altwagen auf den Linien 1 und 3, da mit diesem Datum die Betriebsspannung von 600 auf 750 V erhöht wurde. Triebwagen 73 links im Bild hat sich aber sogar vorzeitig aus dem Liniendienst verabschiedet: er kollidierte am 3.2.2006 am Südtiroler Platz wegen einer falsch gestellten Weiche mit Bus 966 der Linie A, 16 teils schwer Verletzte waren die Folge. Da trug der Triebwagen aber bereits eine andere Werbebeklebung.
Der „Schaffnerlos“-Aufkleber schränkt die mögliche Zeitspanne aber ohnehin auf die 1990er ein. In den 2000ern gab es diese Aufkleber nicht mehr.
Die Smartinfo-Tafeln (elektronische Fahrgastinformation an den Haltestellen) wurden 1995 mit Eröffnung der Neubaustrecke Marktgraben – Terminal Marktplatz – Bürgerstraße eingeführt. Etwa ein Jahr nach der Inbetriebnahme der ersten beiden Tafeln dort wurden diese an einigen wichtigen Verknüpfungshaltestellen ebenfalls installiert. Gleichzeitig wurde auch das Haltestellentafeldesign geändert. Damit komme ich auf „1996-1999“.
Es geht aber doch noch etwas genauer: die abgebildete Haltestellenanlage Sillpark (der Vorgänger der heutigen) wurde am 10.6.1999 eröffnet. Somit komme ich angesichts der teils nur noch schütter belaubten Bäume auf Spätsommer 1999 als frühestmöglichen und wahrscheinlichen Aufnahmezeitpunkt, kann aber nicht garantieren, dass Tw 73 nicht vielleicht auch 2000 oder 2001 noch sein „Schaffnerlos“ trug. Aber viel später kann’s nicht gewesen sein.
Da sage ich nur
„Meine Hochachtung, Herr Schneiderbauer“
Danke Frau Stepanek, aber abseits meines Basiswissens zur groben zeitlichen Einordnung straßenbahnrelevanter Ereignisse und von mir digital archivierter Presseartikel hat auch hier wieder Walter Kreutz als Chronist die eigentliche Arbeit geleistet. Ehre, wem Ehre gebührt!
Es gibt bereits eine elektronische Anzeigetafel welche die Abfahrten in Echtzeit anzeigt. So etwas gab es am Terminal zum ersten Mal frühestens Ende der Neunziger, am Sillpark wird es das wohl erst später in den Nuller Jahren gegeben haben.
Eine max Werbung an der Fassade engt die Aufnahme zwischen Okt. 1996 (Gründung Max Mobil) und April 2002 (Namenwechsel in T Mobile Austria , heute Magenta) ein. Der Schriftzug könnte noch etwas länger dort verblieben sein.
Ja, das passt auch zu meiner oben begründeten Vermutung Spätsommer 1999.
Auf Grund des vielen Schnees auf Patscherkofel und Glungezer, den dicken Jacken und langen Hosen der Passanten, hätte ich im ersten Moment vermutet, es könnte sich doch eher um Herbst handeln. Da die Bäume aber noch (oder schon) kräftiges Grün tragen und die Sonne recht hoch steht, tendiere ich dann aber doch eher zu spätem Frühling/ Frühsommer.
Eine Frage hätte ich noch an Sie Herr Schneiderbauer, weil ich mich selbst nicht daran erinnern kann, aber wozu diente dieser „Schaffnerlos“ Aufkleber?
Gut, daß Sie fragen, Herr Raich – selber hätte ich das längst vergessen – – aber so sind mir wieder die „Fahrscheinautomaten“ in Erinnerung gerufen worden, wo man nach Münzeinwurf je nachden einen „Einmalfahrschein“ oder einen „Mehrfachfahrschein“ (4-Fahrten-Block) herausziehen konnte.
In der Straßenbahn wurde dieser Fahrschein in den Schlitz des innen nahe beim Einstieg an einer Stange befestigten „Entwertungsgerätes“ gesteckt, „Klick!“- und man konnte den nunmehr mit Datum und Uhrzeit versehenen Fahrschein schon wieder herausziehen.
Der Kontrollor – falls bei der jeweiligen Fahrt zufällig einer zustieg! – schaute schon s e h r genau auf die gestempelte Uhrzeit – und die Linie der IVB – nicht daß jemand auf die Idee gekommen wäre, mit ein- und demselben Fahrschein einen ganzen Tag lang sämtliche Tram- und Buslinien durchzuprobieren. Oder so
Und vorher?
Da stieg man hinten ein. Der Schaffner thronte gleich rechterhand auf seinem Sperrsitz – und riß die Karte ab und lochte (oder stempelte) sie und kassierte und gab Münzgeld heraus –
-und noch früher?
Da ging der Schaffner nach der Abfahrt an einer Station durch den Triebwagen und den AQnhänger mit der immer gleichen Frage:
„Jemand zugestiegen, bitte?“
und nahm aus einer Umhängetasche den kleinen Block mit dem jeweils passenden Fahrschein heraus, zwickte mit seiner Zange (Wochen-)Tag, Uhrzeit und Strecke in den Fahrschein – und händigte diesen nach dem Kassieren aus.
Meiner Seel! Man erinnert sich fast gar nicht mehr daran.
Auch daß es 4-Fahrte-Blöcke für Erwachsene – und 10-Fahrten-Blöcke für Schüler (Schülerausweis vorzeigen!) gab, die ebenfalls beim Schaffner gelöst wurden (Farbe: himmelblau!) – wer denkt noch daran….
Und daß der Schaffner im Triebwagen das Abfahrtssignal gab, indem er kräftig an dem Lederriemen zog , der in mehreren Bögen in der gesamten Länge des Triebwagens von der Decke herunterhing – wer weiß das noch?
Frau Stepanek, waren Sie schon mal im Straßenbahnmuseum am Pater-Reinisch-Weg? Sie beschreiben das so enthusiastisch, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass Ihnen das gefallen würde. Man kann im Sommerhalbjahr auch immer samstags drei Mal in einer der vielen verschiedenen alten Straßenbahnen mitfahren, inklusive durchgehendem Schaffner in passender Uniform; hier ist der Fahrplan: https://www.tmb.at/mitfahren
Das Museum wird gerade umgebaut, es musste leider im alten Stubaitalbahnhofgebäude vom Erdgeschoss in den Keller ziehen.
Kleine Korrektur: Das Localbahnmuseum (es werden 22 Lokalbahnen, 3 Straßenbahnen, und einige andere geringerwertige Bahnen dokumentiert, sowie zahlreiche Lokalbahnfahrzeuge und einige Straßenbahnfahrzeuge ergänzen die Sammlung), zieht zum Glück nicht in den Keller sondern vom Süd- in den Nordtrakt des alten Stubaitalbahnhofs 🙂
Danke Christian für die Korrektur, sorry, mir wurde das so beschrieben, dass man da künftig irgendwie über Stufen runter muss. Freut mich zu lesen dass das nicht so ist.
Der „Schaffnerlos“-Aufkleber diente dazu, den Fahrgästen anzuzeigen, dass sie bei diesem Wagen an allen Türen ein- und aussteigen durften. Genau wie Frau Stepanek schon schrieb, musste bei Schaffnerbetrieb bei der hintersten Türe eingestiegen werden; nur mit Sichtkarte durfte man auch bei der vordersten Tür einsteigen. Nach einer Übergangsphase ab Mai 1986, in der ab 20 Uhr keine Schaffner:innen mehr in den Straßenbahnen Dienst taten und man zu dieser Tageszeit deshalb ausschließlich vorne einzusteigen hatte (die hinterste Tür blieb zu), wurde der Fuhrpark ab ca. April 1989 schrittweise auf schaffnerlosen Betrieb umgebaut. Ab 1.1.1994 gab es dann überhaupt keine Schaffner:innen mehr in den Straßenbahnen. Die Aufkleber wurden dennoch noch jahrelang beibehalten, wie wir am Artikelfoto sehen bis mindestens 1999; jetzt klebten sie auf sämtlichen Bahnen.