Der Wetterbericht von gestern
Wenig kann einen beim Blättern in alten Zeitungen so fesseln wie historische Wetterberichte. Hier betrachten wir eine Gruppe festlich gekleideter Personen beim Durchschreiten der Innsbrucker Altstadt anlässlich der Fronleichnamsprozession 1902. Der Fotograf Fritz Gratl hat von der Ottoburg herüber zum mit Munding-Werbeschildern versehenen Hotel Goldener Adler fotografiert und, wie so oft, das Datum mit seinem Namen in eine Ecke des Bildes geprägt. Ein echtes Schwesterbild (man vergleiche die Rossknödel auf der Straße) des letztes Jahr schon gezeigten Damendefilés.
Einzelne Prozessierende und Teile des Publikums sind mit Regenschirmen ausgestattet. Bei den Männern wandelt man etwas lockerer in Dreier- und Viererreihen auf und neben hölzernen Stegen; es ist ja nicht Venedig und die Lagune am Markusplatz steht 90 Zentimeter hoch. Das Planken-Legen hatte einen feierlichen Touch und diente wohl zunächst zum Schutze der weißen Kleidchen der Damen wie der Ministranten. Ein Blick in die Innsbrucker Nachrichten von 1902 erzählt vom schlechten Wetter in den Wochen davor und von den nach der religiösen Rundwanderung abgehaltenen militärischen Manifestationen.
Das Motiv konnte man immer wieder ablichten. Hier wieder von Fritz Gratl,aus einem späteren Jahr mit sichtbar veränderter Fassadenstruktur des Goldenen Adlers. Die Planken sind wieder mit dabei.
Wie viele der Planken zur Verfügung standen? Man kann nur raten. Bis in die Museumstraße reichten sie jedenfalls.
Ob man an den 362 prozessionfreien Tagen in Innsbruck auch andere Aufgaben für die Bretter hatte? Wo lagerte man sie zwischenzeitlich ein?
(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-7226, Ph-15475, Ph-G-26836).
[Danke Herr Auer, ich hab das Bild getauscht! N.H.]
Die am Boden ausgelegten Holztafeln waren bestimmt eine Vorbeugungsmaßnahme, um die bodenlangen Gewänder der Damen sowie der Geistlichkeit sauber zu halten….
Eine herrliche Bilderserie! Die vielen Bilddetails sind sehr interessant.
Zu den Planken ist vielleicht folgender Zufallsfund von Interesse:
Unter den zighundert Ansichtskarten des Goldenes Dachls gibt es eine ganz besondere Variante, auf welcher die Brettertafeln bzw. Prozessionsstege im gestapelten Zustand gleich neben dem Brunnen liegen. Ob vor oder nach einer Prozession ist schwer zu sagen. Die betreffende Karte befindet sich in der Nationalbibliothek:
https://akon.onb.ac.at/#id=AKON_AK009_319
Wann haben sie eigentlich die Ritschen in der Altstadt dicht gemacht? Evtl kommen die Bretter aus dieser Bewandtnis?
Das Foto aus der Museumsstraße ist nach 1905 entstanden, die Straßenbahngleise sieht man bzw was ich zuerst gefunden habe, ist die typische Oberleitung mit 2 Drähten.
In München ist die Verwendung von Brettern z.B. für 1843 dokumentiert. In Wien hat man bereits 1782 anlässlich einer Papst-Prozession die Straßen mit Brettern ausgelegt.
Das Auslegen von Brettern anlässlich der Fronleichnamsprozession kann in Innsbruck mindestens bis 1893 zurückverfolgt werden.
Im Innsbrucker Tagblatt vom 30.05.1893 findet sich ein ausführlicher Bericht:
https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Seite/Zeitung/62964/1/30.05.1893/265210/2/filterId-62964%01265210%013390565-query-%22PROCESSION+BRETTERN%22%7E10.html
Darin wird kritisiert, dass die Kranzmädchen neben den Geistlichen in einem langen Spalier durch den Straßenletten waten müssen, während der Klerus feinsäuberlich auf den eigens ausgelegten Brettern und Brücken durch die Stadt schreitet.
Die Straßen waren demnach zu Fronleichnam immer lettig und schmutzig. Sei es, weil es regnete. Sei es, weil man die Straßen in den Morgenstunden ausgiebig mit Wasser spritzte, um die Staubentwicklung hintanzuhalten….
Eine weitere Erwähnung der Bretter für den Fußpfad der Innsbrucker Fronleichnamsprozession findet sich bereits 1878:
https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Seite/Zeitung/62964/1/25.06.1878/261078/3/filterId-62964%01261078%013368527-query-%22PROzESSION+bretter%22%7E10.html