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Danke, Hötting!

Danke, Hötting!

Die Geschichte steht ja eigentlich schon im Titelbild.
Die Szene zeigt die Taufkapelle der Neuen Höttinger Pfarrkirche. Seit einigen Monaten steht nun diese Informationstafel im Raum und leistet mit ihrem kurzen und gut formulierten Text die Einordnung, die solche Fenster im Jahr 2024 benötigen.
Wie ist es zu dieser Tafel gekommen? Der Autor dieses Beitrags hat, wie auf diesem Blog auch schon angemerkt, in den späten 1970er Jahren in dieser Kirche drei Mal wöchentlich ministriert; immer wieder auch bei Taufen, hauptsächlich bei Frühmessen für SchülerInnen und sonntags um 9 (Hier galt „alle“ sollten kommen). Dabei gab es in den längeren Phasen der auswendig memorierten Mess-Teile je nach Sonnenstand und Tagesverfassung eigentlich recht viel visuell zu erkunden in diesem Raum. Die vorderen Glasfenster sind mir bis heute gut vertraut, auch der Umstand dass in den Bildern immer die Spender:innen genannt werden ist für Innsbruck eher einzigartig und wohl dem späten Errichtungsdatum geschuldet. Die drei Bilder aus dem Titelbild habe ich sicher auch gesehen aber als Volksschüler fehlte mir das Rüstzeug, diese auch verstehen zu können. Subtexte wie Gottlose und Hass ließen mich unberührt. Ich war fürs Klingeln und Beweihrauchen zuständig. Der Bischof damals hieß Paulus Rusch.

Im Frühjahr 2023 schickte mir nun Nikolaus Walch Fotos der Glasfenster. Ich hatte in den 45 Jahren dazwischen genug über den christlichen Antisemitismus und die Tiroler Ritualmordlegenden gelernt, um Hnadlungsbedarf zu erkennen. Viel der Neubetrachtung in Tirol ging auf Bischof Stecher zurück, der sich dieses Themas in den 1980ern energisch angenommen und damit im Sinne fast aller Tiroler Katholiken gehandelt hat. Die Höttinger Kirchenfenster gerieten dabei nie in Diskussion, so weit ich mich erinnere. Heutzutage benötigen solche Darstellungen Kontext, und den wollten alle, die danach damit zu tun hatten, schaffen.

Meiner zu Rate gezogenen Höttinger Stadtarchivs-Kollegin Hanna Fritz und mir war es wichtig, dass etwas geschieht und dass auf dem Weg alle Stakeholder eingebunden sind. Mit einer Reihe von Helferinnen und Helfern in der Pfarre, im Stift Wilten, bei den Jesuiten und schließlich im bischöflichen Ordinariat ist es uns letztlich in konsensualer Form gelungen, dass dieser Text aus der Kirche selbst gekommen ist und so meines Erachtens viel besser passt als jede von Stadtarchiv oder Kultusgemeinde „der Höttingern vorgeschriebene“ Fassung das je könnte. Herzlichen Dank an alle Beteiligten.

Die Geschichte, wie diese Bilder überhaupt in die Kirche gekommen sind, kann man mit der Höttinger Pfarrchronik und dem ausgezeichnet sortierten Archiv der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt nachzeichnen. Im Jahr 1913 waren noch nicht alle Fenster finanziert und ausgeführt, und in dem erhaltenen Bestellbögen wird eine Reihe neuer Fenster besprochen. In der Pfarrchronik lesen wir, dass der 1836 geborene Simon Grubinger aus Rinn, gewesener Wirt auf Heiligwasser, die Bilder bezahlte. Wie er auf die Namen der beiden in den Fenstern abgebildeten Kinder gekommen ist, kann man aus seinem Tulfer Geburtseintrag ersehen, er wurde tatsächlich auf den Namen Simon v. Trient getauft, dem Vornamen seines Paten Simon Egg, lediger Meßner-Sohn und Schuldiener von Judenstein. Der Höttinger Pfarrer Hieronymus Mössl klärt mit der Glasmalerei Motive und Preis.

In der Werkstatt wird nun entworfen. Die bunten Vorlagen im Massstab 1:15 weichen in einigen Details von den letztendlich ausgeführten Fenstern ab. Die Attribute Messer bei Simon und Märtyrerpalme bei Andreas wurde genau so umsetzt. Das Trienter Castello Buonconsiglio kam zu einem Auftritt als Kontrast zu den Rinner Bauernhäusern.

Für zwei davon existieren im Archiv auch noch die 1:1 Kohle-Baupläne. Die problematischen Sätze stehen auch schon dabei. Welche biblische Anspielung der aus dem Dorf hinauswandernde Knochenmann und die Schlange im Bild mit dem Jesuskind haben, sprengt meinen theologischen Interpretations-Grundwortschatz. Hier die Detailzeichnung dazu (im Glasmalerei-Jargon „Karton“ genannt).

Natürlich waren Simon und Andreas in Tirol auch immer die zuständigen Heiligen für nicht geborene und früh gestorbene Kinder – die Platzierung in der Taufkapelle lässt sich damit aber nicht wirklich ableiten.

Simon Grubinger hat die fertig montierten Bilder übrigens nie gesehen. Er ist am 6. Jänner 1915 verstorben.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Interessant ist bei den Darstellungen von Anderl und Simon, dass die „üblichen“ Farben ihrer Kleidung vertauscht wurden. Zumindest wird dort, wo noch Abbildungen im Mittelgebirge erhalten sind (mir fällt nur mehr der Gstuner Hof in Tulfes ein, es könnte sein, dass es auch noch die eine oder andere Abbildung in Kapellen* gibt) Anderl Weiß/Rot und Simon Weiß/Blau dargestellt.
    *) z.B. in der Bugazikapelle https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgdQSSgJIMeL_4M55wCtfoP_rjrKsdy2gWnzO-hUIe0UqQCoVf8939bdl8Pvz5WtSi3e5kacA0Tg7Pbp1EsvXuF_s5oOTcuJLpLPGG-MdPH7o_zXfZ1MDHQ4Tdh3TOUyGKP9p5QDxMrllXz/s1600/pbg-15-5-2018-007.jpg

  2. …und zur Deutung der Komposition der Fenster: ich würde das in allen drei Fenstern ganz banal als Jenseits, Verklärung (oben) Diesseits (unten) interpretieren. Im Diesseits des Mittelfensters Teufel (Schlange) und Tod dazu passend. Der Regenbogen (wäre heute schon wieder Gegenstand eigener Diskussionen;-) als Versöhnungszeichen.
    Also im Mittelfenster auch ein Allerseelenthema.
    Keine Frage, dass es da bessere Darstellungen gibt , wie z.B. Carvaggios „Madonna mit Schlange“, wo m.M.n. alles in einem erklärt wird.

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