Barmherzig trifft Redlich
Ein schöner Plan, wer kann ihm widerstehen? Im gegenständlichen Fall eine handgezeichnete Version, die ein paar Prioritäten geraderückt und sicher jahrelang im Unterricht gezeigt wurde.
Hier kann man ihn interaktiv betrachten.
Die Geschichte, erzählt per e-mail von unserem Planflüsterer Josef Schönegger, geht so:
Anmerkungen zum Plan von Innsbruck 1907 Stadtarchiv Re-160
Wie in meinem ersten Mail zu diesem Thema erwähnt, kommen in Innsbruck zwei Klosterschulen als Ursprung der Schulwandkarte in Frage: die Schule der Ursulinen am Marktgraben und die Schule an der Kettenbrücke der Barmherzigen Schwestern. Ich habe beide um eine Auskunft angeschrieben, ob um 1907 bei ihnen eine Schwester Josefine als Lehrerin tätig war. Von den Ursulinen habe ich dazu bis dato keine Rückmeldung erhalten. Sr. Dominika von den Barmherzigen Schwestern dagegen hat mir gemailt, dass sie (auf die Schnelle) zur fraglichen Zeit keine Schwester diesen Namens gefunden hat, allerdings wird sie nach ihrem Urlaub Ende September der Sache noch einmal genauer nachgehen.
Nun zur Vorlage:
Zweifelfrei richtig ist die Annahme, dass die Autorin der Wandkarte einen Plan von Redlich verwendet hat, der damals dem jährlich erschienenen Adressbuch der Gemeinde Innsbruck beigelegt war. Der Datenstand war dabei jeweils der 1. Dezember des Vorjahres. Entgegen meiner ursprünglichen Annahme wurde allerdings nicht der Plan von 1907 verwendet, sondern jener von 1904, und auch nicht der 2-färbige (schwarz-rot) des Adressbuches, sondern ein 4-färbiger (schwarz-rot-grün-blau), der wohl solitär als Einzeldruck herausgebracht wurde.
Ich habe einen Scan dieses Planes für mein Buch vom Ferdinandeum erhalten (Signatur K24/2).
Zur Verdeutlichung dieser Ansicht ein Vergleich im Bereich von Pradl:
Die Einfärbung ist sogar in Teilflächen identisch!
Interessant ist es, dass auch die spekulativen Straßenzüge des Baulinienplanes von Pradl und des Parzellierungsplanes von Hötting 1903, ebenso im noch unverbauten Gebiet in Wilten, zur Gänze übernommen wurden.
Zur Datierung:
Die Adressen der im Plan links unten angeführten Konsulate entsprechen genau dem Redlich-Plan von 1904, hier sogar noch mit den jeweiligen Landesflaggen gekennzeichnet: das kaiserl.-deutsche Konsulat in der Maximilianstraße 23, das königl.-großbrittannische am Margarethenplatz (Boznerplatz) 7 und das königl.-italienische am Karl Ludwigsplatz (Adolf-Pichler-Platz) 12.
So steht es auch im Adressbuch für Innsbruck von 1904 (Stand 1903). Laut Adressbuch von 1905 übersiedelte das italienische Konsulat in die Falkstraße 25 und laut Adressbuch 1907 übersiedelte das großbrittannische Konsulat in die Meinhardstraße 10 sowie das deutsche an den Innrain 37. Schon 1906 lagen also alle drei Konsulate nicht mehr an den im Plan eingezeichneten Standorten.
Der Gebäudebestand bzw. die Baulücken südlich der Maximilianstraße entsprechen exakt dem Redlich-Plan von 1904. Zum Beispiel ist auch die Schidlachstraße, die ab 1906 auf den Plänen aufscheint, noch nicht vorhanden.
Nördlich der Maximilianstraße dagegen ist vieles bis 1907 aktualisiert worden:
Das Postgebäude in der Maximilianstraße, 1905-1908 erbaut, ist zur Hälfte eingezeichnet
Entlang der Gemeindegrenze zu Hötting oberhalb der Innstraße sind auf der St.Nikolauser Seite mehrere Gebäude eingetragen, die am 1907er Plan nicht aufscheinen:
Wie am Pradler Vergleichsbild zu sehen ist, ist um die alte Pradler Kirche noch ein Friedhof eingezeichnet, der aber bereits 1903 im Zuge des Baues der neuen Pradler Kirche 1905 -1908 aufgelöst wurde.
Die größten Aktualisierungen findet man in Saggen:
Der Blocksaggen östlich der Adolf-Pichler-Straße (Conradstraße) ist über den im 1907er-Plan verzeichneten erweitert. Die 1906 errichtete Hungerburgbahn ist ebenso vorhanden wie die ebenfalls 1906 erbaute evangelische Kirche. Das 1906 abgebrannte Rundgemäldegebäude neben dem Messegelände ist korrekt an seiner neuen Position (1907) neben der Talstation der Hungerburgbahn eingezeichnet.
Da die Aktualisierungen vor allem im Bereich Saggen zu finden sind, habe ich vermutet, dass die Wandkarte eventuell aus der Schule der Barmherzigen Schwestern an der Kettenbrücke stammt.
(Josef Tamino Schönegger)
Vielen Dank für diesen schönen Plan!
Laut dem Personal- und Ortsverzeichnis der Diözese Brixen von 1905-1907, Seite 262 wirkte im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern an der Kettenbrücke in Innsbruck die Ordensschwester Josefine Kempf, geboren zu Andelsbuch 1865 und Profess 1893.