Auch Fraktur will gelernt sein
Dieses Motto gilt heute mehr und mehr. Wir beobachten das beispielsweise bei den Bewerbungen für Praktika im Stadtarchiv/Stadtmuseum, wenn angehende Kulturwissenschaftler:innen die Frage, ob sie schon mit Frakturschrift (nicht Kurrent!) zu tun hatten, verneinen. „Aber ich bin zuversichtlich, mir das anlernen zu können“, meinte eine Bewerber:in.
In meiner Schulzeit haben wir Fraktur noch an ausgewählten Stellen im Deutschunterricht gelernt. Aber offenbar gehört sie heute nicht mehr zur Allgemeinbildung sondern zu den Hilfswissenschaften. Ein Stück weit auch verständlich. Wo trifft man heute im Alltag eigentlich noch Fraktur?
Interessant ist dabei, dass bis vor mittlerweile auch 17 Jahren (wie die Zeit vergeht!) Fraktur in Innsbruck noch aktiv genutzt wurde. Nämlich auf den Straßenschildern, bis diese 2008 eben aus den Gründen der leichteren Lesbarkeit, durch die heutigen ersetzt wurden. (Die Alten standen bis zum Vorjahr zum Verkauf.) Das oben abgebildete Vorgängermodell stammte aus den 1960er-Jahren, die Schrift war somit eigentlich bereits bei der Einführung antiquiert, was später durchaus zu Fehlern und Kritik führte, wie ein TT-Beitrag vom 3. September 1985 belegt.
„Wenn schon Fraktur, dann auch richtig“, forderte darin Herbert Buzas. Die Krux: die Verwendung des langen und des runden s in der Fraktur waren durch Rechtschreibregeln festgelegt, die sich eigentlich „spielend anwenden“ lassen würden, aber durch den Gebrauch der Antiqua in zunehmend Vergessenheit geraten seien. Auch innerhalb des Stadtmagistrats: „[W]as auf diesem Gebiet Rechtschreibungspfusch geleistet wird, ist kaum zu fassen“, prangerte Buzas an und illustrierte seinen Beitrag mit „Beweisfotos“, deren Bildunterschriften heute einigermaßen überheblich wirken: „DAS TUT WEH!“ – in Großbuchstaben heißt es etwa zur Gänsbacherstraße, denn: „Das lange s im Auslaut ist falsch.“ Die zwei Versionen der Kaiser-Josef-Straße illustrierten, „wie ahnungslos oft mit der korrekten Rechtschreibung umgegangen wird“.
Die Abteilung Straßenbetrieb hat sich diese mediale Nachhilfe offenbar zu Herzen genommen und zeigte sich lernwillig. Auf der Kopie des Artikels wurden die Fehler rot eingezeichnet und die Regeln (mit zwei dicken roten Rufzeichen) zusammengefasst. Fraktur will schließlich auch gelernt sein.

(Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Realiensammlung; Tiroler Tageszeitung, 3.9.1985, S. 7)
Kurrentschrift ist mir noch immer ein Rätsel, obwohl meinen Mutter redlich versucht hat, es mir beizubringen und wir ein Kinderbuch in Kurrentschrift hatten.
Fraktur hingegen habe ich mir selbst in der 2 Klasse VS angeeignet, aber weniger wegen der Fugel-Bibel; da reichten die Bilder aus. Hingegen bei einem Artikel über Moorleichen in einem Kosmosheft aus den Dreißigerjahren ging es dann gar nicht anders. Mein Vater hat immer wieder erzählt, dass er hörte, wie ich das Wort „Moorleiche“ halbaut buchstabierte und er sich noch wunderte wieso. Sonst hätte ich wohl vergesen, wie es bei mir mit Fraktur begann.
Wobei das S-Leseproblem sich noch lange hielt. Das „gefliffentlich“ eigentlich geflissentlich hieß musst erst sickern.