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Villen Nach Mühlau Tragen

Villen nach Mühlau tragen

Es ist immer wieder verblüffend, was die Prioritäten für Parteien und Bewegungen sind, so bald sie an die Hebel der Macht kommen. Besonders interessant ist das dann bei demokratisch oder per Einmarsch an die Macht gekommenen Gruppierungen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt als Vertreter des „kleinen Mannes“ deklarierten.

Im Sommer 1939 beschließt der Innsbrucker Oberbürgermeister Egon Denz, dass es im durchaus villenreichen Mühlau noch ein zusätzliches Gassl mit repräsentativen Einfamilienhäusern geben solle. Der Beschluss des Bürgermeisters (das Stadtparlament war schon ausgeschaltet) wird im Amtsblatt der Stadt Innsbruck ganzseitig zur Kenntnis gebracht. Das Titelbild zeigt den Baulinienplan dazu (den man hier auch interaktiv erkunden kann). Ohne die Sternbach’schen Interessen zu streifen wird eine Stichstraße zwischen Mühlauer Platzl und Inn angelegt.

Bei den Akten zum gezeigten Plan liegen auch zwei gewichtige Einsprüche dagegen: Die beiden Schafwoll&Loden-Industriebetriebe „Joh. Math. Weyrer & Söhne“ sowie die benachbarte und räumlich mehr als verwobene „Franz Baur’s Söhne“, deren Fabriken Mühlauer Bach-abwärts zum Projekt stehen, haben – geringfügige – Bedenken und bitten um eine kleine Verschiebung nach Osten (Baur) bzw nicht-Abtragung der Färberei, die der namenlosen Straße – im Akt als althergebrachtes Müllergassl tituliert – weichen hätte müssen (Weyrer).

Vielleicht hat der Anwalt der „Franz Baur’s Söhne“ das Projekt als Ganzes torpediert, indem er bei der Argumentation gegen die Nähe zu seinem Betrieb schreibt: „Da es sich mit Rücksicht auf die unmittelbar angrenzende Industrieanlage bei diesen Bauten zweifellos nicht um Luxusvillen handeln kann, würde eine Tiefe des Grundes von 25 m [statt 35 Anm.] reichlichst genügen.“ Nach der alten Binsenweisheit, dass in Weltregionen mit Westströmung im East End die Immissionen aller Kamine der Stadt enden, wahrlich kein Werbeargument, östlich des Zaunes von zwei großen Industriebetrieben eine Achter-Reihe repräsentativer Villen zu errichten.

Keinen Monat nach der Projektankündigung brach das Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg vom Zaun. In den heutigen Kataster-Parzellierungen lassen sich von der geplanten Gasse keine Spuren mehr finden. Wahrscheinlich wurde die Durchführung auf „nach dem Endsieg“ verschoben.

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