Der Lauf der Zeit
Mühlräder sind ein Symbol der Gleichmäßigkeit. Und genau so ist es auch beim Sillkanal. Da die wilden Bäche entlang der Nordkette nicht zu kontrollieren waren, begann die noch junge Stadt Innsbruck im ausgehenden Mittelalter einen langen Wirtschaftskanal zu graben, der vom Wasser der Sill gespeist wurde. Dies hatte den Vorteil, dass die Wassermenge meist gleichmäßig, aber zumindest kontrollierbar war. Vor allem für den Antrieb von Mühlrädern, Hammerwerken und Mahlwerken war dies essentiell.
Hier sehen wir das bekannte Mühlrad der Feigenkaffeefabrik Gedeon von Hibler in der Adamgasse. Nach dem Erwerb von drei Häusern in der Adamgasse in der Zeit zwischen 1875 bis 1898 und diese Mühle errichtet. Siehe auch den Beitrag „Kein Betrieb für Mutige“. Seit 1971 steht hier – gerade noch – das Gebäude der Raiffeisen-Landesbank. Am Margarethenplatz 4, also sprichwörtlich um die Ecke lag die Mühle von Leonhard Jakob Oberlindober.
Das führt natürlich zur sofortigen Frage: „Was ist Feigenkaffee?“ Der klassische Bohnenkaffee war bis zur Erschließung der Produktionsgebiete mit Schiffen und Eisenbahn sehr teuer und war zwar Mode, aber schmeckte scheußlich. Dementsprechend wurden Versuche mit verschiedensten Zusatzstoffen gemacht. Einer davon waren Feigen. Die Früchte wurden gereinigt, getrocknet, geröstet und gemahlen. Meist wurde das Produkt dann mit „normalen“ Bohnenkaffee vermischt und getrunken.
In Kriegszeiten war der Import von Kaffeebohnen nach Mitteleuropa schwierig bis unmöglich. Um die Bevölkerung trotzdem mit etwas kaffeeähnlichem zu versorgen wurden verschiedene heimische Früchte zu einem Ersatzkaffee vermahlen. Diese hatten aber kein coffein und waren damit weitgehend wirkungslos. Propagiert wurde „Kaffee“ aus Eicheln, Kastanien, Bucheckern etc. oder aus gemälzter Gerste, also Malzkaffee. Dieser hat sich als Einziger bis fast in die Gegenwart eine kleine Fangemeinde erhalten können. Um die Jahrhundertwende war Feigenkaffee etwa halb so teuer wie der billigste Bohnenkaffee.
In den Adressbüchern sind „Feigenmüller“ und „Feigenbrenner“ als eigene Berufsbezeichnungen angeführt. Im Jahr 1904 bestanden in Innsbruck folgende Feigenmühlen:
Gedeon von Hibler – Adamgasse 3
Leonhard Jakob Oberlindober – Margarethenplatz 4
Rudolf Rauch – Karmelitergasse 23
Franz Voglsanger – Kapuzinergasse 8 a
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: Ph-6525)
In der Aufzählung von Kaffeeersatz hat Herr Morscher noch den Zichorien Kaffee vergessen, zumal ja auch im „Franziszeischen Kataster“ siehe https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=Detailkarten_georef&scale=4513.99773337655¢erx=1269116.0230205138¢ery=5985150.2282312205¢erspatial=102100&map=84 in der Adamgasse eine „Cichorie Fabrik“ aufscheint!
Zichorienkaffee wurde auch bei uns daheim in der Kriegszeit / Nachkriegszeit geröstet! Für die kleinwürfelig aufgeschnittenen Löwenzahnstückchen hatten wir eine eigene Röstvorrichtung (an einem langen Stiel drehbare Pfanne über dem offenen Feuer des Küchenherdes), mit der allerdings auch diverses Korn verarbeitet wurde.
Auch an das Mühlrad kann ich mich noch gut erinnern, es war für mich Buben etwas Gewaltiges!
Ich kam oft hierher, da im 1. Stock das städtische Gesundheitsamt war. Mein Vater erkrankte 1943 in Russland an TBC und ist daran 1946 auch verstorben. Obwohl er in dieser ganzen Zeit nie daheim war und ich selbst nur zweimal mit ihm in Kontakt kam (!!!), musste ich einmal im Monat zum Lungenröntgen erscheinen.
Die Röntgenapparate waren damals auch noch gewaltig und ich möchte nicht wissen, mit welchen Strahlenmengen ich torpediert wurde, aber die Untersuchung hatte auch Vorteile: Ich bekam Sonderlebensmittelmarken zum Bezug von mehr Milch und Butter!!
Danke für das wunderbare Mühlrad-Foto!