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Frohe(?) Weihnachten: Mit Den Augen Des Unbekannten Fotografen XXII

Frohe(?) Weihnachten: Mit den Augen des unbekannten Fotografen XXII

„Sollte es noch eines Beweises bedurft haben, dass auch Engerl grantig schauen können, so findet sich ein solcher auf dieser Aufnahme,“ schrieb Lukas Morscher in seinem Kalender vom vorigen Jahr über dieses Foto. „Ein genervter Engel hat einfach kein Gespür für die Erhabenheit des heiligen Augenblickes.“

Wenn der Schelm böses denkt, kommen ihm jetzt so gewisse Szenen aus Horrorfilmen in den Sinn, wo das scheinbar süße Mädchen in unbeobachteten Momenten plötzlich ein teuflisches Grinsen aufsetzt, und womöglich leuchten die Augen auch noch höllisch rot auf. Furchtbares Unheil naht… – Doch halt, das ist nun überhaupt nicht weihnachtlich, auch nicht historisch, und nett schon überhaupt nicht.

Das so ernst in die Kamera blickende Mädchen verkörpert offenbar den Heiligen Josef in dieser sogenannten „lebenden Krippe“. Wo diese Szene  festgehalten wurde, wissen wir nicht. An einem für jedermann zugänglichen öffentlichen Ort? Im Umfeld der Familie? Die Darbietung einer sozialen Einrichtung für wohlhabende Gönner? Einen Hinweis könnte die Beschriftung der Aufnahme (bzw. eigentlich Aufnahmen – es gibt drei sehr ähnliche davon) liefern. Diese lautet nämlich „Patronagekrippe 1914“. Eine schnelle Recherche hat zu diesem Begriff hat aber keine schlüssigen Erkenntnisse erbracht.

Man beachte auch den durchaus reichlich aber auch „geradlinig“ geschmückten Christbaum: weiße Kerzen, Lametta und sonst nichts. Interessant auch, dass eine ganze Reihe von Kerzen noch kein einziges Mal angezündet wurde, während vor allem im linken und unteren Bereich so manche nur noch als kleiner Stummel am Baum stecken…

Damit wünschen wir Ihnen erholsame Feiertage und erfreuen auch Sie sich an der tröstlichen Botschaft der Weihnachtsgeschichte, an den warmen Lichtern auf Ihrem eigenen Baum und am persönlichen oder zumindest gedanklich-emotionalen Kreis mit Ihren Lieben! Frohe(!) Weihnachten 2020!

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-Pl-645)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
  1. Beim Begriff „Patronagekrippe“ handelt es sich vermutlich um den Bestandteil einer Christbaumfeier des katholischen Wohltätigkeitsvereins „Patronage“. Ein Zusammenhang mit Innsbruck ist nicht ganz klar, für Wien sind solche Veranstaltungen bekannt.

    Vgl. dazu folgenden Artikel aus dem Neuigkeitsweltblatt von 1897:

    „Die katholische Kirche allein ist berufen, die soziale
    Frage zu lösen“, führte gestern im großen Musikvereinssaale
    Abg. Dr. Lueger unter brausendem Jubel aus.
    In den weiten Räumen fand nämlich die Christbaumfeier
    des Vereines „Patronage für katholische
    Arbeiterinnen“ statt. Bis an die Saaldecke ragte der
    Weihnachtsbaum, im blendenden Glänze von Hunderten von
    Glühlichtern erstrahlend, um die Krippe aber standen hoch- ­
    beglückt an 700 jugendliche katholische Arbeiterinnen.
    Der Verein „Patronage“. welcher sich die edle Aufgabe
    gestellt hat, der armen arbeitenden weiblichen Jugend helfend
    und leitend beizustehen, hat mit dieser Christbescherung die
    lange Kette seiner wohlthätigen Werke um ein neues Glied
    bereichert.
    Zu der erhebenden Feier hatten sich die Kronprinzessin-
    Witwe Erzherzogin Stefanie, die Erzherzoginnen
    Valerie, Josepha, Raineria, Dorothea,
    Maria Immaculata und Anunnciata eingefun-
    den. Die hohen Damen gaben lebhaftes Interesse für die
    Veranstaltung kund.“
    https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwb&datum=18970105&query=%22patronage+krippe%22~10&ref=anno-search&seite=4

  2. Im Tiroler Anzeiger von 1909 dürfte die plausibelste Lösung stehen:
    Bei einer Patronage handelt es sich um einen katholischen Mädchenhort. In Innsbruck wurde 1909 eine Mädchenpatronage des Philipp-Neri-Werks eröffnet. Der Standort befand sich in der Karlstraße 7.
    Die dargestellte Patronagekrippe wurde sicherlich anlässlich einer Christbaumfeier im Mädchenhort aufgeführt.
    Vgl.: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19091104&seite=8&zoom=38&query=%22patronage%2Binnsbruck%22~10&ref=anno-search

  3. Die Wiener Patronage fand ich schnell – die Innsbrucker nicht! Ja, das wird es gewesen sein – herzlichen Dank für dieses kleine feine Weihnachtsgeschenk! – Wobei ich nicht glaube, dass die Aufführung aus dem Mädchenhort stammt. Wie aus dem Artikel hervorgeht, sollte sich dieser um Jugendliche kümmern, als Ergänzung zu den drei bereits bestehenden Kinderpatronagen. Und wenn ich mir das Alter der Krippenspielerinnen vor Augen halte, dann würde ich meinen, dass die Aufnahme wohl in einer Kinderpatronage gemacht wurde.

    1. Ja, das klingt sehr einleuchtend, vom Alter her würde die Aufführung in einer Kinderpatronage sehr gut passen.
      In Innsbruck gab es mindestens drei Kinderpatronagen, nämlich in Wilten, der Innenstadt und Pradl. Gut möglich, dass in einer dieser Patronagen das obige Krippenbild 1914 zur Aufführung kam. Bei der bemalten Wand im Hintergrund könnte es sich um das originale Bühnenbild handeln….
      Von der Pradler Kinderpatronage sind auch tatsächlich solche Christbaumfeiern mit künstlerischen Darbietungen überliefert:
      1904 wurde von der Erzherzogin-Magdalena-Kinderpatronage im Arbeiterjugendheim zu Pradl das Stück »Klein Elschen, das das Christkind suchen geht« aufgeführt. – Bericht laut Ibker Nachrichten 04.01.1904
      Am 02.01.1907 findet sich ein besonders ausführlicher Bericht:
      (Christbescherung in Pradl.) Freitag den 28. Dez.
      fand unter sehr zahlreicher Beteiligung die Christbaumfeier
      der Erzherzogin Magdalena-Kinderpatronage in Pradl statt.
      Wochenlang mögen sich wohl die Kleinen auf dieses
      Herrliche Fest gefreut haben, das ihnen die nütz- ­
      lichen Gaben des Christkindes bescheren sollte.
      Eingeleitet wurde das Fest durch den Kinderchor
      „Stille Nacht, heilige Nacht“, dem ein lieb-
      liches Tableau mit Deklamation folgte. Dieses
      sowie das folgende Weihnachtsspiel „Christnacht
      in der Natur“ versetzten die Zuschauer an die
      Krippe des Herrn. Ausführung und Ausstattung
      waren in jeder Beziehung gelungen und ernteten
      wohlverdiente Anerkennung. Die Festrede
      des hochw. P. Koppenstätter S. J. hatte den Dank
      an die Wohltäter zum Gegenstande. Redner
      schloß mit der Aufmunterung, an dem schönen
      Werke mitzuarbeiten zur Erreichung der hohen
      Ziele, die sich die Patronage gesteckt hat. Den
      Schluß bildete ein heiteres Spiel aus dem
      Märchenreiche.
      https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19070102&query=%22kinderpatronage%22&ref=anno-search&seite=4

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