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Der Erste 1. Mai Der Republik

Der erste 1. Mai der Republik

Na, wer kennt das nicht: Da schaut man auf den Kalender und denkt sich: 1. Mai, Samstag, und was hab‘ ich jetzt davon!? Da lohnt sich ein Blick zurück, es war nämlich ein langer Weg, bis dieser Tag überhaupt ein Feiertag wurde. „Der Freiheitstag“, nannten die nicht gerade links ausgerichteten Innsbrucker Nachrichten vom 2. Mai 1919 ihren überaus positiven Bericht über den Tag davor:

„Der Nationalfeiertag, der Festtag des arbeitenden Volkes ist vorüber: zum erstenmale ein Ruhetag für alle, von staatswegen angeordnet, von allen befolgt und gehalten. Vor den großen Ereignissen galt die Feier des 1. Mai als eine Forderung des sozialdemokratischen Parteiprogramms, dessen Einhaltung von Jahr zu Jahr strenger befolgt worden war. Die gestrige Manifestation aber war groß und eindrucksvoll. Zahl und Zusammensetzung der Teilnehmer am Umzuge bewiesen dies zur Genüge, desgleichen die große Versammlung in den Stadtsälen und in der Umgebung dieses Gebäudes. Vormittag veranstalteten die neugegründete Musikkapelle der Eisenbahner und die wackere Postmusik, die besonders mit klassischen Stücken gute Fortschritte gemacht hat, Tagreveille [Weckruf] und Platzmusik an verschiedenen Punkten der Stadt. Um 2 Uhr Nachmittag begann der Umzug durch die Stadt. Es war zweifellos eine imposante Demonstration, die sich gegen die gleiche Veranstaltung anderer Jahre in vielem unterschied. Der allegorischen Gruppe im Festwagen, darstellend Handwerk, Landwirtschaft und geistige Arbeit folgte eine Abteilung von Offizieren, ferner ein starker Trupp Soldaten in Viererreihen, in strammem Marschtempo, mehrere Fahnen wurden mitgetragen. Besonders groß war diesmal die Zahl der Frauen im Umzuge.“

Der Andrang zur Festveranstaltung in den Stadtsälen war so groß, dass er dessen Kapazitäten sprengte. Der aus Wilten stammende Sozialdemokrat Simon Abram (1871-1940), ehemaliger Reichsratsabgeordneter und nunmehriges Mitglied der Nationalversammlung, richtete deshalb zunächst einige Worte an die vor dem Gebäude und am Rennweg versammelte Menschenmenge. Bei der eigentlichen Festrede erörterte er dann unter anderem „auf welche Weise der von allen Seiten bedrängte Staat Deutschösterreich aus seiner Lage herauskommen könne; ihm schien die Völkerversöhnung als das beste Mittel hiezu. Er forderte die jungen Handwerker auf, die Sprache unserer derzeitigen Gegner zu erlernen, in ihre Länder auf Arbeit zu gehen und dort unter ihren Reihen für die Völkerversöhnung zu wirken.“

Dass Abram ein halbes Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs noch von „derzeitigen Gegnern“ spricht, mag verwundern – aber die Unterzeichnung des endgültigen Friedensvertrags erfolgte erst ein Jahr später. Vieles war noch frisch, unklar, strittig. Man denke nur an das Schicksal Südtirols. Selbiges nahm sowohl in der Rede Abrams wie auch in dem auf ihn folgenden Beitrag des Direktors der Arbeiterbäckerei Johann Orszag breiten Raum ein – oder wurde zumindest in der Berichterstattung der Innsbrucker Nachrichten hervorgehoben. Die dritte Rednerin und ihre Anliegen waren hingegen mit einem knappen Satz abgehandelt: „Es sprach dann noch Frau Duzla über Angelegenheiten der Frauen.“

Das Titelbild des Beitrags zeigt übrigens eine Szene dieses Tages. Eine bunte Ansammlung aus Radfahrern und Fußgängerinnen, Uniformierten und Zivilisten, Frauen und Kindern. Und im Getümmel die Musikkapelle. Womöglich der im Beitrag erwähnte Umzug. Die „S. R. B. u. S. B. Maif. der Proletarier 1919“, heißt es rechts unten. Was sich wohl hinter diesen Abkürzungen versteckt? Und wo befinden wir uns hier eigentlich?

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-25240)

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare
  1. Über dem Hauseingang rechts im Bild ein Schild mit der Aufschrift „Wachzimmer ….“
    Die zweite Zeile ist wohl nur im Originalbild lesbar.

  2. Wenn die zweite Zeile etwas eingerückt wäre, könnte man Wilten lesen. Gabs da mehrere Wachstuben, und damit eine Zusatzbezeichnung? Und ist das überhaupt Wilten?
    S.B. läßt sich unschwer als Sozialistischer Bund enträtseln, der ja auch in der Zeitungsmeldung erwähnt wird. Das eingeschobene R bei S.R.B. könnte Reich bedeuten. Du meine Güte.

  3. Wenn Wilten, dann vielleicht am Wiltener Platzl, Beginn Liebeneggstraße. Dort gibts so einen Hausvorsprung im Hintergrund, und das rechts wäre der alte Ansitz. Dahinter müßte die Feuerwache gewesen sein.

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